Künstler der Woche

Interview mit Rolf Herbrechtsmeyer

Interview mit dem Cellisten Rolf Herbrechtsmeyer
© Frida Kutsche

Ist das Cello ein unterschätztes Soloinstrument? Wie sehr fällt man damit eigentlich in der U-Bahn auf? Und was passiert, wenn mitten im Konzert eine Saite reißt? Diese und weitere Fragen beantwortet unser "Künstler der Woche" Rolf Herbrechtsmeyer im Interview.

eventpeppers: Lieber Herr Herbrechtsmeyer, wann hatten Sie zum ersten Mal ein Cello in der Hand? Und war es "Liebe auf den ersten Blick"?
Ich war sieben Jahre alt. Einige Klassenkameraden hatten gerade mit Geige begonnen. Da meine Eltern über Bekannte Kontakt zu einer Cellolehrerin hatten, wurde es bei mir das Cello. Mich hat das Instrument von Anfang an fasziniert. Das lag zum Teil wohl auch an dem Geschick meiner Lehrerin, einer freundlichen, herzensguten Dame, deren Mann Bratschist bei den Philharmonikern war.
eventpeppers: Wie haben Sie sich dann letztlich dazu entschieden, die Musik zum Beruf zu machen? Und wie sah Ihr musikalischer Werdegang aus?

Ich mag am Cello die klangliche Bandbreite, die von den tiefen Basstönen bis in die Höhen der Sopranlage reicht.

Oh, das war ein langer Weg! Zunächst hatte ich einfach nur Freude am Cellospiel. Und an den Aktivitäten der Klassen- und Schulorchester. Konzertbesuche spielten auch eine Rolle. Da meine Eltern ein Abo bei den Philharmonikern hatten, bot sich mir schon als kleiner Junge öfter mal die Gelegenheit, mit ins Konzert zu kommen. Dadurch habe ich tolle Eindrücke erhalten und viel aufregende Musik schon in früher Jugend erfahren können. Nach acht Jahren Unterricht meinte meine Lehrerin dann, es wäre wohl mal an der Zeit zu wechseln. Sie empfahl mir einen jungen Cellisten, der gerade eine Stelle als 1. Solocellist in Hamburg bekommen hatte. Ich fand es toll, meinem neuen Cellolehrer, er war nur zehn Jahre älter als ich, bei seinem Wirken im Orchester zuzusehen. In den folgenden Jahren nahm ich dann mehrfach am Wettbewerb "Jugend musiziert" teil. So ganz glücklich hatten mich diese Erfahrungen zwar nicht gemacht, wertvoll für die Weiterentwicklung waren sie aber allemal. Als ich zum ersten Mal eine große Sinfonie im Jugendorchester mitspielte, war ich überwältigt von dem Klang, der mich umgab. Einfach toll, an Aufführungen von großen Sinfonien mitzuwirken!
Trotz meiner vielen musikalischen Aktivitäten und meiner Liebe zum Cello war ich mir keineswegs sicher, ob ich den Beruf des Musikers einschlagen wollte. Nach dem Abi folgten einige Monate Zivildienst. Ich nutzte diese Zeit, um nebenbei noch ein paar Vorlesungen an der Uni zu besuchen und dachte über Alternativen zum Musikstudium nach. Letztendlich wurde es aber doch die Musik. Die Entscheidung fällte ich während einer Fahrradtour, als ich mehrere Wochen alleine kreuz und quer durch Frankreich radelte. Als ich mich ein paar Jahre später entschied, mein Glück als freiberuflicher Cellist zu versuchen, lagen inzwischen Studienjahre in Hannover, Düsseldorf und London hinter mir sowie zahlreiche Probespiele, die meine Frustrationstoleranz bis an die Grenzen ausgetestet hatten.
Ein Praktikum bei den Wuppertaler Sinfonikern vermittelte mir Eindrücke vom Alltag eines Orchestermusikers und dank der Konzerttouren mit der Jungen Deutschen Philharmonie hatte ich das Glück, einige der tollsten Konzertsäle der Welt erleben zu dürfen. Musik ist und bleibt für mich ein großes Abenteuer! Ich freue mich auf jeden neuen Auftritt und auch das Weitergeben von Erfahrungen an meine Schüler ist aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken.
eventpeppers: Verraten Sie uns auch ein wenig über sich als Privatperson? Für welche Musik schwärmen Sie persönlich und für was können Sie sich fernab der Musik begeistern?
Ja, gerne! Aufgewachsen bin ich im Norden Hamburgs. Ich habe eine drei Jahre ältere Schwester, und wir hatten einen Hund, einen Cockerspaniel, der unsere Kindheit begleitete. Mein Vater brachte ihn eines Tages mit, ohne Vorwarnung! Inzwischen bin ich selber Vater von drei Kindern im Alter von 18, 16 und elf Jahren. Seit der Trennung teile ich mir die Erziehung mit der Mutter. Nach einigen Turbulenzen hat das Leben es gut mit mir gemeint und mir eine neue, wunderbare Partnerschaft geschenkt. Für welche Musik ich schwärme? Schwer zu sagen. Ich bin sehr neugierig auf Musik jeglicher Art, entdecke gerne Neues, oder entdecke Altes, Wohlbekanntes wieder neu. Bestimmte Musik spiele ich von Zeit zu Zeit immer wieder gerne, wie beispielsweise die von mir sehr geliebte Sonate von Brahms, die ich gerade wieder aufs Programm gesetzt habe. Und natürlich beschäftige ich mich immer gerne mit den Cellosuiten von J.S. Bach, die im Repertoire eine herausragende Rolle spielen. Aber auch Exotisches, wie die herrlich verrückten Sonaten von Claude Debussy und Francis Poulenc. Gelegentlich arrangiere ich Musik aus dem Bereich Pop und Film. So spielte ich neulich bei einer Hochzeit den Song "Viva la vida" von der Gruppe Coldplay, nur auf dem Cello. Das war zwar mit dem Original nicht ganz vergleichbar, hatte aber auf eigene Weise großen Reiz (und Erfolg)!
Und sonst? Ich bin gerne in der Natur, am Meer oder in den Bergen, und ich liebe das Fahrradfahren. Nicht so ausgeprägt ist sportlicher Ehrgeiz, auch wenn mir Bewegung als Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit am Cello wichtig ist. Ich sehe Parallelen zwischen Sport und Musik und freue mich über die Erfolge meines Sohnes als Hockeyspieler. Als Jugendlicher habe ich viel gelesen, auch dicke Wälzer, wie zum Beispiel Werke von Thomas Mann. Dafür fehlen mir aber inzwischen meist die nötige Zeit und Geduld.
eventpeppers: Sie treten sowohl Solo als auch in Begleitung auf. Für welche Veranstaltungsgrößen und Anlässe eignen sich Ihre Soloauftritte, und wann empfehlen Sie Veranstaltern eher eine erweiterte Variante?
Es ist eine Frage von Aufwand, Wünschen und, nicht zu verschweigen, auch der Kosten für die Veranstalter. Konzerte mit Duo-oder Triobesetzung werden am häufigsten nachgefragt, mit oder ohne Klavier, je nach Möglichkeit. Manchmal, bei größeren Sälen, kann es auch schon mal ein Quintett oder Sextett sein. Doch auch Soloprogramme haben ihren Reiz und sind organisatorisch leichter zu planen. Wenn es um Events wie Firmenfeiern, Hochzeiten und dergleichen geht, biete ich gerne die Kombination Geige/Cello, mit speziell vorgenommenen Arrangements von populärer Klassik über Oper und Operette bis zu Film-und Popmusik an.
eventpeppers: Ist das Cello Ihrer Meinung nach ein unterschätztes Soloinstrument? Und was macht für Sie das Besondere am Celloklang aus?
Inzwischen gibt es so viele solistisch aktive Cellisten, dass ich es nicht mehr angebracht finde, von einem unterschätzten Soloinstrument zu sprechen. Dennoch ist das Cello geprägt von der Tradition des Basso continuo, des Wirkens als Begleitinstrument, oft im Verbund mit Tasten- und Zupfinstrumenten. Die Begleitpartien in den großen Oratorien, wie bei Bach und anderen bedeutenden Meistern, sind dankbare Aufgaben. Insofern bin ich es als Cellist gewohnt, Begleitfunktionen zu übernehmen. Es muss also nicht immer die Hauptstimme sein. Die Qualitäten eines Soloinstruments hat das Cello aber nicht erst in der Neuzeit entfaltet. Von Anbeginn existiert eine umfangreiche und spannende Sololiteratur. Ich mag am Cello die klangliche Bandbreite, die von den tiefen Basstönen bis in die Höhen der Sopranlage reicht.
eventpeppers: Was war für Sie das bisherige Highlight Ihrer Musikerkarriere? Gibt es beispielsweise ein Engagement, auf das Sie besonders stolz sind?
Ein Konzert ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Zum Abschluss meines Studiums durfte ich den Solopart im Cellokonzert des französischen Komponisten Edouard Lalo spielen. Da ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt hatte, solistisch mit Orchester zu spielen, war ich hochgradig gespannt und einigermaßen nervös. Dann wurde es aber doch ein großartiges Erlebnis, den großen Saal der Düsseldorfer Tonhalle mit meinem Cello zu füllen und mich vom Klang des Sinfonieorchesters getragen zu fühlen.
eventpeppers: Auf Ihrer Homepage schreiben Sie "Mit Cello fällt man garantiert auf in der U-Bahn". Gibt es dazu - oder anderweitig aus Ihrer Cellisten-Laufbahn - eine lustige Anekdote?

Anderen Menschen etwas durch die Musik zu geben und gleichzeitig daran zu reifen, das ist für mich das Schönste an meinem Beruf.

Einmal wurde ich nach einem Konzertauftritt in der U-Bahn angesprochen. "Entschuldigen Sie mal! Sind Sie nicht der Cellist, dem gerade im Konzert eine Saite gerissen ist?" Die Frage war schnell bejaht und ein angenehmes Gespräch entspann sich in Folge. Was war passiert? Ich hatte an einem Sinfoniekonzert in der Hamburger Laeiszhalle mitgewirkt. Hauptwerk des Abends war eine gewaltige, fünfsätzige Sinfonie des finnischen Komponisten Jean Sibelius, die uns Musiker zu Hochform auflaufen ließ. Kurz vor Ende des dritten Satzes passierte es: die tiefe C-Saite riss, und der laute Knall hallte unüberhörbar durch den großen Konzertsaal. Ich spürte sofort, wie sich alle Köpfe zu mir drehten und sich die geballte Aufmerksamkeit des Publikums mir zuwandte. Ich verließ den Saal, wechselte die kaputte Saite und konnte mich immerhin noch für den Schlusssatz zurück auf die Bühne begeben.
Der Riss einer Saite im Konzert ist zweifellos ein einschneidendes Erlebnis. Dies widerfuhr mir bei anderer Gelegenheit während eines Vortrags der Cellosonate von Johannes Brahms. Ein Klavierstudent der Hamburger Musikhochschule hatte mich gebeten, als Kammermusikpartner an seinem Examenskonzert mitzuwirken. Wir befanden uns bereits mitten im energiegeladenen dritten Satz, als es passierte: die A-Saite hielt einem arg schwungvollen Bogenstrich nicht stand und riss! Was tun? Statt abzubrechen entschied ich mich instinktiv die Musik weiterlaufen zu lassen. Da es mir irgendwie widerstrebt hätte, in dieser speziellen Situation den Spannungsbogen zu stören, verlagerte ich mein Spiel von nun an auf die verbliebenen tieferen Saiten, was mir so schlecht und recht dann auch gelang. Als wir geendet hatten fragte mich dann mein Klavierpartner: "Sag mal, warum hast Du eigentlich am Schluss so leise gespielt?" Konzentriert auf sein eigenes Spiel war ihm mein Missgeschick gar nicht aufgefallen.
eventpeppers: Zu guter Letzt: Was ist für Sie das Schönste an Ihrem Beruf?
Musiker zu sein ist für mich etwas Wunderbares. Musik spiegelt das Leben in all seinen Facetten, von hell bis dunkel. Mit dem Ausdruck von Schönheit kann ich sowohl Lebensfreude als auch Trost spenden. Anderen Menschen etwas durch die Musik zu geben und gleichzeitig daran zu reifen, das ist für mich das Schönste an meinem Beruf.

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Der Cellist Rolf Herbrechtsmeyer
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Rolf Herbrechtsmeyer ist auch im Trio buchbarDie Cellomusik von Rolf Herbrechtsmeyer eignet sich für Anlässe aller Art