Künstler der Woche

Interview mit Max Eisinger

Künstler der Woche: Max Eisinger
©Lukas Diller

Mit fünf Jahren beginnt Max Eisinger mit dem Geigenspiel. Dieser frühen Begegnung mit klassischer Musik stellt er später Jazz und Gypsy-Swing gegenüber. Als erfolgreicher Solist, Komponist, Orchestermusiker und Jazzgeiger bewegt er sich heute mühelos zwischen den Genres und findet dabei nicht nur seine eigene musikalische Sprache, sondern schlägt auch eine Brücke zwischen Tradition und Improvisation. Was er jungen MusikerInnen gerne auf den Weg geben möchte, ob man Improvisation lernen kann und welche Projekte er noch geplant hat, verrät unser Künstler der Woche im Interview.

Hallo Max. Wie geht es dir?
Danke, mir geht es sehr gut und ich freue mich auf unser Interview. Ich bin gerade (mal wieder) in einer beruflichen Umbruchphase: Ich habe über das letzte Jahr hinweg Platz für neue Herzensprojekte gemacht und neue Programme entwickelt, die 2024 Premiere feiern und auf Tour gehen. Ich verspüre also vor allem Vorfreude!
Mit deinem Debüt in der Münchner Philharmonie im Alter von 11 Jahren begann deine beeindruckende Konzertkarriere - wie hat diese frühe Bühnenerfahrung deine Herangehensweise an die Musik beeinflusst?
Ich denke, da geht es mir nicht anders als den meisten anderen Musiker*innen: Wer eine professionelle Konzertkarriere anstrebt, vor allem im klassischen Bereich, muss früh anfangen. Und da gehören Vorspiele, Konzerte und Wettbewerbe schon als Kind dazu. Meine ersten Bühnenerfahrungen hatte ich auch schon deutlich früher, aber meine prägendsten wohl eher etwas später: Oft waren es auch die negativen Erfahrungen, die mich besonders geprägt haben. Wenn etwas so richtig danebenging auf der Bühne. Als Teenager habe ich als Solist mit Orchester ein Mozart Violinkonzert gespielt und hatte mittendrin so einen Blackout, dass ich nicht mehr wusste, wie es weiter ging. Dann war ich gezwungen, auf der Bühne zu improvisieren und mir spontan etwas einfallen zu lassen. Damals war das ein furchtbares Erlebnis, aber es hat mich zur Improvisation gebracht, die jetzt mein Markenzeichen geworden ist.
Deine musikalische Bandbreite reicht von klassischer Orchestermusik bis hin zu Jazz und Gypsy-Swing - wie navigierst du zwischen diesen verschiedenen Stilen? Und welches Genre magst du am liebsten?
Ich denke, das ist wie bei einem Kind, das mehrsprachig aufwächst. Über das CD-Regal meiner Eltern und als Geigenschüler an einer recht konservativen Musikschule in München kam ich ganz automatisch mit klassischer Musik in Berührung. Jugendorchester, Kammermusik und Chöre gehörten da einfach zur Ausbildung dazu. Gleichzeitig haben wir Zuhause jüdische Klezmer-Musik gemacht, mit meinem Vater am Klavier oder Akkordeon und meiner Schwester am Cello. Durch den Klezmer habe ich erkannt, dass man nicht immer "wörtlich" das spielen muss, was in den Noten steht und habe begonnen, hier und da einen Ton zu verändern. Das waren meine ersten Schritte zur Improvisation, bis ich dann schließlich beim Jazz gelandet bin. Und wenn man als Geiger die Welt des Jazz erkunden möchte, kommt man auf der Suche nach Role Models kaum an Stephane Grappelli und somit Django Reinhardt und seinem Gypsy Swing vorbei. Wie navigiere ich zwischen den verschiedenen Stilen? Ich würde sagen gar nicht. Um bei der Analogie der Sprache zu bleiben, denke ich, dass ich keine der Stilistiken, sei es Klassik, Klezmer, Gypsy Swing oder Jazz, wirklich akzentfrei spreche. Man hört meinem Spiel und meinen Kompositionen immer an, dass ich auch andere musikalische Wurzeln habe. Denen versuche ich treu zu bleiben und gleichzeitig jeder Form von Musik und Kunst offen zu begegnen und darin meine eigene Sprache zu finden.
Deine Leidenschaft ist die Improvisation - wurde sie dir in die Wiege gelegt oder kann man Improvisation lernen?
Meine Eltern haben mir immer gezeigt, dass Konventionen — seien sie musikalisch oder nicht — sagen wir mal "flexibel auszulegen" sind.
Insofern wurde mir zumindest der Mut in die Wiege gelegt, meinen eigenen Weg zu gehen. Den technischen Aspekt der Improvisation, insbesondere wenn wir von Stilistik sprechen, kann und muss man auf jeden Fall erlernen. Jedes Genre hat sein eigenes musikalisches Vokabular, das man - wie eine Sprache - durch Hören und Imitation lernt. So haben es auch alle großen Jazzmusiker*innen gemacht, von Miles Davis bis Charlie Parker. Der andere Aspekt der Improvisationskunst ist nicht nur genreunabhängig, sondern lässt sich auch auf andere Disziplinen wie Sport, Sprache oder Wissenschaft übertragen: Die Fähigkeit, spontan und im Moment eine Entscheidung zu treffen, die nicht geplant oder vorhersehbar war. Bei dieser Entscheidungsfindung greift man natürlich auf Dinge zurück, die man bereits kennt und erlernt hat — und das ist auch gut so. Aber viel wichtiger ist in solchen Momenten die Fähigkeit des Zuhörens: Was geschieht um mich herum? Was machen meine Mitstreiter*innen, mein Publikum, der Raum? Und was kann ich als Individuum tun, um dieser Gesamtsituation etwas Wertvolles hinzuzufügen? An dieser Aufmerksamkeit können wir unser Leben lang arbeiten.
Du unterrichtest auch - was möchtest du jungen MusikerInnen gerne mit auf den Weg geben?
Ich unterrichte verschiedenen Dinge: Geige und Klavier vor allem für Kinder und Jugendliche sowie Komposition und Musiktheorie für Studierende und Erwachsene. Bei Kindern geht es mir vor allem darum, möglichst schnell und spielerisch die wesentlichen technischen und musikalischen Fähigkeiten zu vermitteln, damit das Musizieren Spaß macht. Gerade an der Geige kann es Jahre dauern, bis Hände und Arme das tun, was nötig ist, um die erste richtige Melodie spielen zu können. Das birgt die Gefahr, dass die Kinder aufgeben, bevor es überhaupt anfängt, Spaß zu machen. Also motiviere ich sie, dass es sich lohnt, geduldig und diszipliniert an sich zu arbeiten. Aber in den meisten Fällen braucht es dafür auch die Unterstützung der Eltern, die ihr Kind auf dieser herausfordernden und manchmal anstrengenden Reise unterstützen. Bei Fortgeschrittenen und professionellen Musiker*innen geht es mir vor allem darum, die eigenen künstlerischen Persönlichkeiten stärker herauszuarbeiten und Menschen dazu zu motivieren, ihren eigenen kreativen Weg "über den Tellerrand hinaus" zu gehen.
Welche Projekte stehen als nächstes für dich an? Gibt es spezielle musikalische Herausforderungen oder Genres, die du noch erkunden möchtest?
Wie eingangs schon angekündigt, gehe ich 2024 mit insgesamt drei Projekten an den Start: Mit dem Feuerbach Quartett sind wir mit unserem neuen Programm "LEGENDS" unterwegs: Eine Zusammensetzung aus legendären Pop- und Rockhits des 20. Jahrhunderts kombiniert mit Ausschnitten legendärer klassischer Kompositionen, etwa von Mozart, Schubert oder Gustav Mahler. Mit "MAKRO", meinem Duo mit Lukas Kroczek am Cello, bin ich ab April 2024 mit Eigenkompositionen zwischen Klassik und Progressive Rock auf Deutschlandtour, kürzlich erschien unsere zweite Single, die auch in meinem eventpeppers-Profil zu finden ist. Und nachdem ich die letzten Jahre auf der Suche nach einem Konzertprogramm war, das meine musikalische Identität möglichst ganzheitlich umfasst und abbildet, habe ich jetzt mein Quintett "Max Eisingers Tacheles" gegründet, worüber ich sehr glücklich bin. Durch die furchtbaren Anschläge vom 7. Oktober und die globalen Ausmaße des Krieges in Gaza habe ich mich verstärkt mit meiner eigenen jüdischen Identität auseinandergesetzt und ein Programm zusammengestellt, das klassische Musik von jüdischen Komponisten, Klezmer sowie Gypsy-Swing und Jazz miteinander kombiniert. Es trägt den Titel "Musik aus der Diaspora" und wird ab Sommer 2024 öffentlich zu hören sein — zwei Musikvideos findet man aber schon jetzt auf meinem eventpeppers-Profil. Zu diesen drei "Mammutaufgaben" kommen natürlich zahlreiche kleinere Projekte hinzu, von Musical über Auftritte mit meiner Swing-Tanz-Band "Reinhardtsgebot" und vereinzelte Engagements von Orchestern und anderen Klassik- und Jazzensembles.
Kannst du zum Schluss noch etwas für uns improvisieren?

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